Wie ich dazu kam, Kinderlieder zu schreiben
Angefangen hat alles im April 1982. Ich studierte Musik fürs Lehramt an der Musikhochschule in Stuttgart. Mein Kommilitone und WG-Zimmernachbar Gerhard Zimmermann bat mich, für ihn ein Lied zu schreiben. Er brauchte dringend für eine Chorfreizeit über Ostern mit Kindern und Jugendlichen ein neues Stück. Ohne lange nachzudenken, machte ich mich an die Arbeit. Als wir uns zum Sommersemester wiedertrafen, berichtete er mir, dass dieses Lied der musikalische Hit der Freizeit geworden war. „URWALD – URWALD“ muss es durch das ganze Allgäu getönt haben.
Einige Monate später kam mein heiterer und begabter Freund Gerhard durch einen tragischen Verkehrsunfall um sein Leben. An das Schreiben von weiteren Kinderliedern konnte und wollte ich nicht mehr denken. Fortan widmete ich meine Konzentration in meinem Musikstudium dem Kontrapunkt, den Fingerübungen und den musikgeschichtlichen Studien.
Doch der Geist des Urwaldsongs war aus der Flasche und trieb sein fröhliches Spuken auf Chorfreizeiten weiter. Die kopierten Noten wurden unter der Hand weiter gegeben. Eines Tages erhielt ich einen Anruf: Wo könne man denn die Noten vom Urwaldsong kaufen? Ob es einen Klaviersatz dazu gäbe? Ich entschloss mich, das Stück bei Verlagen anzubieten. Ich erstellte vorzeigbare Noten, ein buntes Titelblatt und schickte alles samt einer Demokassette (damals verschickte man noch Kassetten!) quer durch Deutschland. Das Ergebnis war der Klassiker.
Zehn verschickte Briefe und 15 Absagen: „Leider sind wir im Moment nicht in der Lage…“, „…passt nicht zu unserem bisherigen Programm“, „…und melden Sie sich wieder…“ — irgendwann habe ich die Briefe entsorgt, so oder so ähnlich war der Tenor. Das war Ende der 80er Jahre.
Irgendwann wurde mir der Carus-Verlag empfohlen. Keinen Kilometer per Luftlinie von mir entfernt, schickte ich 1992 eine Postsendung nach Stuttgart-Heslach. Inhalt: der Urwaldsong und das Lied vom kleinen Huhn, das um die Welt fliegt. Kurz darauf ein Anruf von Waltraud Graulich: „Ja, man könne sich vorstellen, die Lieder ins Verlagsprogramm aufzunehmen.“ Wie wunderbar: Fortan musste der Urwaldsong nicht mehr unter der Hand verteilt werden. Er wurde mit Carus zu einem Bestseller und wird bis heute gern und überall gesungen.
Mit Christoph Mohr begann ich ab 1994 weitere Songs für Kinder zu schreiben, mit den Texten von Babette Dieterich machte ich ab 1998 über meine Stuttgarter Kulturbühne im GUM Bekanntschaft, der Schauspieler Ernst Konarek zeigte mir die Gedichte des Wiener Blitzdichters Peter Hammerschlag, – die Reihe Kinderhits mit Witz nahm Fahrt auf. 2007 lernte ich Edith Jeske kennen. Sie lud mich ein, im Rahmen der von ihr gegründeten und gemeinsam mit Tobias Reitz organisierten Celler Schule über Lieder für Kinder zu referieren. Sie ermunterte mich auch, mit den Stipendiaten der Celler Schule weitere Lieder zu erfinden. In Springe, wo die Celler Schule mittlerweile residiert, ergab sich eine Zusammenarbeit mit Barbara Berrien, Julia Hagemann, Edith Jeske, Jutta Rath, Maik Brandenburg, Peter Dünow, Johannes Göckeritz und Jens Wormstädt. Aber auch in den Archiven habe ich all die Jahre kräftig gestöbert und unter anderem Gedichte von Paula Dehmel, Wilhelm Busch oder Hugo Ball zum Vertonen entdeckt. Qualität altert eben nie.
Mittlerweile sind 21 Bände Kinderhits mit Witz sind mittlerweile erschienen. Es sind Reiselieder, Wiegenlieder und Geburtstagslieder. Auch Tierlieder, Grusel- und Monsterlieder findet man darunter. Weihnachtslieder, Osterlieder, Nonsenselieder und Liebeslieder sowieso. Seit 2011 gibt es sogar einen jährlichen Sängerwettbewerb Kinderhits mit Witz. Dort werden die besten Darbietungen der Lieder auf Video prämiert.
A l l e n, die mitgeholfen haben, die Reihe Kinderhits mit Witz zu ermöglichen und zu etablieren, meinen herzlichen Dank aussprechen. Mein größter Dank geht aber an alle diejenigen, die mit Spaß und Sangesfreude diese Lieder proben, singen und aufführen.
Ihr macht mich echt glücklich.
URWALD! URWALD!
Euer / Ihr Peter Schindler
Carus-Verlag / Kinderhits mit Witz – Wettbewerb 2013